“The Danish Girl” (2016)

(erschienen zuerst auf myFanbase)
Im Dänemark von 1926 führt das Künstlerehepaar Einar (Eddie Redmayne) und Gerda Wegener (Alicia Vikander) ein bewegtes und glückliches Leben in Kopenhagen. Als ein Model abspringt, welches für Gerda Modell sitzen sollte, springt ihr Mann Einar kurzerhand ein und posiert als Frau (Lili). Der Erfolg des Bildes führt dazu, dass Einar diese Verwandlung zu Lili immer häufiger durchläuft und eine Seite von sich entdeckt und auszuleben beginnt, die er zuvor immer versteckt hat. 1926 stellt dies Einar jedoch nicht nur in seinem eigenen Leben und seiner Ehe vor Konflikte, sondern auch die Gesellschaft scheint noch nicht bereit für einen Transsexuellen.

Nicht zuletzt durch “Die Entdeckung der Unendlichkeit” ist Eddie Redmayne aus den Kinos nicht mehr wegzudenken. Dennoch ist “The Danish Girl” alles andere als ein Blockbuster. Tom Hoopers neuer Film beruft sich auf intensive filmische Momente und die Kraft der Bilder, wenn es darum geht, Einar Wegeners Geschichte zu erzählen. Eingeleitet durch wundervolle Landschaftsbilder wird von Beginn an eine ruhige, aber beeindruckende Atmosphäre geschaffen, die sich durch den Film hinweg fortsetzt.

Die Geschichte von Einar Wegener ist eine Geschichte voller Gefühle, menschlicher Spannungen und Charakteren, die besser nicht besetzt hätten werden können. Eddie Redmayne und Alicia Vikander sind in ihrer schauspielerischen Leistung kaum mehr zu überbieten – die Authentizität, die man schon bei der Portraitierung Stephen Hawkings durch Eddie Redmayne bewundern durfte, bringt er auch in diesem Film mit sich. Einar Wegeners Weg ist geprägt von Verzweiflung und Zerrissenheit, aber im gleichen Moment strotzt er den ganzen Film über auch vor Klarheit; Klarheit darüber, wohin der Weg gehen soll, egal welche Steine ihm in den Weg gelegt werden. So muss er schmerzlich erfahren, dass die Gesellschaft im Jahre 1926 nicht einmal ansatzweise akzeptieren möchte, dass es Transsexuelle gibt. Dennoch vertraut er seinem Empfinden, dass die allmähliche Verwandlung zu Lili Elbe die einzige Möglichkeit für ihn ist, zu leben.

“The Danish Girl” portraitiert diese Verwandlung nicht als geraden Weg, oder als einfachen Weg, auch Konflikte zwischen Einar und Gerda bleiben natürlich nicht aus, dennoch strahlt der Film eine ungeheure Akzeptanz und Toleranz aus, die dem damaligen gesellschaftlichen Bild gegenüber steht. Durch Nebendarsteller wie Ben Whishaw (“The Hour“) und Matthias Schoenaerts (“Am Grünen Rand der Welt“) zeigt “The Danish Girl” auch in kleineren Szenen keine Schwächen, sondern baut die Hauptcharaktere noch weiter aus, so dass sehr facettenreiche Personen entstehen, durch die der Film sehr bewegend und emotional wird.

Zu keiner Zeit wirkt der Film, als müsse er eine bestimmte Einstellung übermitteln, vielmehr sieht der Zuschauer die Geschichte eines Menschen, der nach langer Zeit endlich die Möglichkeit bekommt, seine Persönlichkeit voll und ganz auszuleben. Es geht weniger um gesellschaftliche Akzeptanz und Integration in der Gesellschaft, sondern vielmehr um Einars Verwirklichung seiner selbst und den inneren und äußeren Kampf, Lili Elbe sein zu dürfen. Die starke Verbindung zu seiner Frau Gerda ist das Rückgrat der ganzen Geschichte – von Anfang bis zum Ende –, denn seine Frau kämpft um ihn, bis sie sieht, dass es ihn nicht mehr gibt, sodass Lili Elbe eine enge Vertraute wird. “The Danish Girl” ist die Geschichte einer der ersten Transsexuellen, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen haben; zur gleichen Zeit ist es aber auch die Geschichte einer Ehe, und der Liebe zweier Menschen, die sich mit der Verwandlung Einars in Lili zwar verändert, aber niemals erlischt.

Mit “The Danish Girl” hat Regisseur Tom Hooper einen Film geschaffen, der das Verständnis von Menschlichkeit hinterfragt und neu zu definieren vermag. Gerdas Liebe zu ihrem Mann gilt erst einmal dem Menschen Einar, nicht seiner Sexualität, sondern seinem Wesen. Dass sich diese Gefühle ändern, als Einar zu Lili wird, ist selbstverständlich, aber der Film schafft es, dies in anfänglicher Verzweiflung und anschließendem Verständnis fast nahtlos darzustellen, ohne dass den Charakteren dabei etwas verloren geht. Hooper portraitiert seine Figuren als erstes als Menschen und nicht als geschlechterspezifische Personen – ein Aspekt, der den Film fantastisch macht, allerdings auch kaum jemanden unberührt aus dem Kino gehen lassen wird.

“The Danish Girl” ist ein eindrucksvolles Portrait von Einar Wegener, welcher durch seine Entscheidung, eine Frau zu werden, Geschichte geschrieben hat. Eddie Redmayne schafft es, diese Geschichte mit so viel Herz und auch Verzweiflung zu füllen, dass man auch nach dem Ende des Films noch von seiner Darstellung eingenommen ist. Alicia Vikander steht dem in Nichts nach und auch die Nebendarsteller sind auf den Punkt gecastet worden. Filmisch gesehen ist “The Danish Girl” wundervoll gespickt mit Landschaftsbildern und Nahaufnahmen der Charaktere in verletzlichen Momenten und in Szenen, in denen kein Dialog von Nöten ist. Ein Film, dessen Begriff von Menschlichkeit und Selbstverwirklichung ein erstrebenswerter Standpunkt ist und der den Gang ins Kino definitiv wert ist.

 

Tom Hopper: “The Danish Girl”
US: 27.11.2015; DE: 07.01.2016
120 Minuten

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